Ein Erfahrungsbericht: Jahrestreffen von InitiatorInnen aus Würdekompass-Gruppen
Würdekompass – Eine Initiative zum Erhalt und zur Stärkung menschlicher Würde. Eine Konferenz von rund 60 InitiatorInnen von Würdekompassgruppen in Frankfurt am Main – Erfahrungsbericht von Jutta Vollmann
Gegen 17:00 Uhr traf ich ein, in der sogenannten „Alten Kapelle“ eines Stadthotels mitten in der Frankfurter Innenstadt. Ein altes Kirchenfenster als Schmuck im Treppenhaus und ca. 20 runde, bunt-glasige Fenster, die irgendwie an Bullaugen erinnern, bieten eine Erklärung für den Namen des Tagungsraumes, in dem das Treffen von uns InitiatorInnen der„Würdekompass-Gruppen“ heute und morgen stattfinden wird.
Eine kleine Kirchenorgel ist dort ebenso zu finden. Während ich mich am Eingang in die Schlange der anderen Ankömmlinge einreihe, um wie sie meinen freiwilligen finanziellen Beitrag für die Raummiete zu leisten, frage ich mich dennoch, warum es im Obergeschoss eines modernen Stadthotels einen Raum mit dem Namen „Alte Kapelle“ gibt. Im Nachhinein verstehe ich. Das Hotel ist ein sog. „Kolpinghaus“ und somit dem katholischen Solzialverband „Kolpingwerk“ zugehörig. Doch die Wahl ist eher notwendigerweise auf diesen Ort gefallen, da sich für den Termin keine passende und auch günstigere Alternative finden ließ. Aus rund 40 -50 Städten und Gemeinden Deutschlands und sogar aus Österreich und der Schweiz kommen die TeilnehmerInnen, unter der Leitung von Michael Beilmann, zusammen. Doch um was geht es genau?
Im Februar 2018 entwickelte sich aus der „Akademie für Potentialentfaltung“ die Initiative „Würdekompass“ heraus. Leitfigur und Ideengeber ist Prof. Dr. Gerald Hüther, Gründer der Akademie, ehemaliger Professor für Neurobiologie und Autor vieler populärwissenschaftlicher Bücher. Zudem Michael Beilmann, ein „Querdenker“, erfahrener Social Marketer und der strategisch operative Teil im Würdekompass.
Wunsch der Initiative ist es, das Thema „Würde“ wieder in den Vordergrund des alltäglichen Bewusstseins und Lebens zu rücken und Menschen in diesem Sinne miteinander zu verbinden. Der Aufbau von lokalen „Würdekompass-Gruppen“ wird dabei unterstützt. Dies mit dem langfristigen Ziel, dass immer mehr Menschen ihre Würde als Kompass im Leben einsetzen können und dürfen.
Ich mische mich im Raum unter die bereits Anwesenden und treffe direkt auf den Initiator einer „Würdekompass-Gruppe“ meiner Nachbargemeinde. Wir hatten uns bereits im Vorfeld bei einem meiner Treffen kennengelernt. Wir haben einen kurzen freundlichen Austausch, während ich jemanden aus einer anderen Nachbarstadt entdecke. Er ist dort aktiv mit einer sog. „Themenkompassgruppe“ und dies im Bereich „Würde und Schule“. Er und einige andere haben sich zum Ziel gesetzt, eine Schule zu gründen, was im Bundesland Bayern kein leichtes Unterfangen darstellt. „Würde und Schule“ ist auch eines der großen Themen von Gerald Hüther. Wissenschaftlich fundiert und von ganzem Herzen setzt er sich seit Jahren für eine neue Lernkultur ein, auf dass es Menschen von Kindheit an möglich bleibt, ein Leben lang mit Freude zu lernen.
In der ersten Stunde unseres Treffens kommt es zu einem losen Kennenlernen. Ich verbinde mich mit Menschen aus Köln, Wiesbaden, Linz, St. Gallen, Stuttgart oder München und aus kleineren Gemeinden. Dies mit Worten hier und da, dann in Form von schweigendem Begegnen, mit der inneren Haltung, sich gegenseitig im Blickkontakt zu würdigen. Daraufhin schließen wir uns zu kleineren Sitzkreisen zusammen und tauschen uns über Erfahrungen innerhalb unserer lokalen Gruppen aus. Später teilen wir unsere Erkenntnisse im großen Kreis mit allen.
Hierbei wird deutlich, dass das Thema „Würde“ so unterschiedlich angegangen wird, wie auch wir Teilnehmenden aus unterschiedlichen Bereichen, Interessensgebieten und Lebensläufen kommen. Auch stehen die einzelnen Anwesenden an verschiedenen Punkten ihrer Aktivitäten. Manch eine/r ist gekommen, um Anregungen zu erhalten, wie man eine lokale Gruppe aufbauen kann. Und andere teilen mit, dass sie ihre Gruppe bereits wieder aufgelöst haben, da man nicht über das Reden hinausgekommen sei. Diese Initiatoren wollen nun lieber gezielt zu einem Thema aktiv werden und Unterstützer dafür finden.
Zudem gibt es „Projekte“, die z.B. im Bereich „Würde und Kunst“ konkrete Ideen entwickelt und auch bereits umgesetzt haben. Diese mit dem Titel ProjektArt in Braunschweig, als eine Wanderausstellung professioneller Künstler und der Schaffung von Erfahrungsräumen zur Würde. In Planung sind auch weitere Themen wie „Würde in Unternehmen“ oder „Würde im Alter“.
Ebenso gibt es regionale Gruppen, die sich mit dem Thema „Würde“in einen persönlichen inneren Entwicklungsprozess begeben. Denn für sie ist das eigene Beurteilen von „was ist würdevoll und was nicht“ eine heikle Gratwanderung. Auch ich stelle mir immer wieder die Frage: „Wer bin ich, der darüber urteilt, was würdevoll oder würdelos ist?“
So wird hier, bei dem zentralen Treffen in Frankfurt, fürmich deutlich, dass das Zusammenkommen in lokalen Gruppen zwar dieselbe Überschrift „Würde“ hat, der jeweilige Zweck jedoch sehr unterschiedlich sein kann. Manch einer stellt sich, so wie ich auch, die Frage, in welche Richtung es mit der Initiative insgesamt und auch meiner Gruppe gehen soll. Ist es eher eine Gruppe zum Austausch persönlicher Befindlichkeiten, oder eine Art Philosophietreffen,oder ein Miteinander von „Macher/innen“, die Dinge konkret werden lassen wollen? Mir scheint, als könne man das nicht in der Theorie klären, sondern nur in dem man etwas tut und die Dinge sich frei entwickeln.
Für uns alle überraschend, bekommen wir am Samstagmittag Besuch und Unterstützung vom Ideengeber des „Würdekompass“, Gerald Hüther. Er zeigt sich sehr dankbar für diesen engagierten Kreis und auf Augenhöhe. Mit Herzblut beantwortet er unsere Fragen. Dabei kann er die Motivation erleben, die jede/n Anwesende/n dazu bewegt, sich mit Hilfe des "Würdekompass" gemeinnützig für ein würdevolleres Miteinander in unserer Welt einzusetzen.
Wir machen ein Gruppenfoto mit ihm. Anschließend gehen wir in kleineren Kreisen weiteren Fragen nach, um uns selbst unserer eigenen Anliegen bewusster zu werden. Auch bilden sich dabei Gruppen, die über die große Vision der Initiative Würdekompass zu einer Bewegung nachdenken. Ziele formulieren und feststellen, welche konkreten jetzt Schritte anstehen, um die Initiative wirksam weiter voranzubringen. So schließen sich Teilnehmende zusammen, um sich über die wichtigen konkreten Dinge, wie Finanzen,Organisationstruktur, Gesellschaftsformen, interne und externe Kommunikation etc. auseinanderzusetzen. Viele bürokratische Dinge sind bei einer solchen Unternehmung abzuwickeln und es braucht einige Menschen mit Zeit, Engagement, Idealismus und auch Geld, um dies alles bewältigen zu können. Werden genügend Menschen bereit sein, sich auch künftig für dieses abstrakte Thema einzusetzen? Allein zum Gemeinwohl und für die gute Sache?
Am Samstagnachmittag, zum Ende des co-kreativen Treffens, können wir zusammenfassen, dass mehr als ein Fünftel der Anwesenden bereit ist, den „Würdekompass“ im „Hintergrund“, sei es bei technischen, organisatorischen oder bürokratischen Dingen, zu unterstützen. Zudem werden über zehn Themenkompass-Gruppen initiiert, wozu sich erste Interessenten eintragen. Die Motivation in der Beteiligtenist so hoch, dass bereits ein nächstes Treffen im Herbst 2019 angedacht wird.
In diesen zwei Tagen halte ich ab und an inne und sinniere darüber, was es wohl ist, was diese Menschen und mich wirklich bewegt, zum Teil weite Anfahrtswege, hohe Kosten und Mühen auf sich zu nehmen, um hier zusammenzukommen. Und ich stelle fest, dass wir alle von dem Wunsch getragen sind, nicht die Welt zu retten, sondern unseren Teil dazu beitragen möchten die Welt ein Stück gerechter, schöner und würdevoller zu gestalten. Dafür bringen wir unsere wertvolle Zeit, Ideen und Beiträge ein.
Ja, es braucht Idealisten, Unterstützer und Macher, die sich mutig für das Allgemeinwohl einsetzen. Menschen, die aufstehen, um etwas zu tun. Die Verantwortung übernehmen wollen. Wenn jeder der ca. sechzig Teilnehmende es schaffen würde, zehn weitere Menschen zu motivieren sich für die Würde in ihrem Umfeld einzusetzen und diese zehn wiederum sich ebenfalls engagieren, u.s.w. - dann, ja dann denke ich, kann aus dieser Initiative eine große Inspiration für unsere ganze Gesellschaft sein.
Ich bedanke mich bei allen, die sich mit ihrer Anwesenheit und ihrem Engagement so wertvoll eingebracht haben und wünsche dem „Würdekompass“ eine gute Entwicklung und Zukunft.
Jutta Vollmann („Würdekompass-Gruppe“ - Babenhausen)
Was benötigt wird
- Wer sich ebenfalls einbringen möchte, findet weitere Informationen unter: www.wuerdekompass.de
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