Rückblick auf den Online-Convent Würde. Geld. Zusammenleben.
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Ulrike Hegewald

Ich liebe es zu netzwerken. Als ich im Februar 2019 am ersten Initiatorentreffen der Würdekompass-Initiative in Frankfurt teilnahm, sprühten alle rund 60 Teilnehmenden vor Inspiration. Der Raum war angefüllt von Ideen und ich hatte echt Schwierigkeiten, hier eine Wahl zu treffen. Eine Wahl ist wahrscheinlich eher eine Kopfsache. Mein Gefühl aber flüsterte in einer Art Hintergrundrauschen das Wort „Grundeinkommen“.

Zu der Zeit hatte ich gerade ganz frisch das Buch „Was würdest Du tun?“ von Michael Bohmeier und Claudia Cornelsen gelesen -ist das wirklich erst etwas mehr als ein Jahr her?- und war ganz tief berührt von den Geschichten der interviewten Menschen. Aus der Eingangsfrage „Was würdest Du tun?“ entwickelte sich eine Drehung in „Was macht das Geld mit Dir?“. Und zum Ende wechselte der Fokus auf „Was macht die Bedingungslosigkeit mit Dir?“ Als Ganzes stieg, einem Hologramm gleich, das Bild eines aufrechten, kreativen Menschen in mir auf, der sich seiner eigenen Würde bewusst ist, der sein Leben selbst gestaltet, der Verbundenheit zur Gemeinschaft und Autonomie zur gleichen Zeit empfindet. Tatsächlich kann ich das erst jetzt in Worte fassen.

Kurz vor dem Frankfurter Treffen wurde ich von Ulrike Hegewald aus Weimar angeschrieben. Sie hatte eine Idee und sucht nun nach Möglichkeiten der Realisierung. Sie fand meine Email-Adresse auf der Seite des Würdekompass, als sie nach einer Würdekompassgruppe in Weimar und einem Ansprechpartner in der Nähe suchte. So stellte sie die Verbindung her.

Ich las heraus, dass es in Weimar eine sehr aktive Gruppe gibt, die schon die verschiedensten Kulturimpulse angeregt und mitgestaltet hat: die Initiativgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen Weimar https://bgeweimar.chayns.net/ . Es sind Menschen aus den unterschiedlichsten Vereinen und Gruppierungen. In diesem Auszug stellen sie sich so dar:

„Wir kommen von attac, Bündnis SozialTransFair, Weimar im Wandel,Bündnis Grundeinkommen, Aktionsgemeinschaft Faire Welt e. V. Weimar oder einfach nur aus Interesse und mit dem Wollen, etwas zu tun.... Wir sind Angestellte, Künstler und Selbständige, Studierende, Rentner und Suchende.

Uli lud mich ein, an der nächsten der monatlichen Treffen teilzunehmen, um mir selbst ein Bild machen zu können und mehr über das Anliegen der Gruppe zu erfahren. Und hier trat genau das ein, was ich schon zuvor in den Würdekompassgruppen und -treffen erleben durfte: ein Gefühl der Vertrautheit, ohne die anderen jemals vorher gesehen zu haben, und eine ungemeine Kreativität, ein Ideen-Ping-Pong. Wie kommt das? Es ist das Begegnen auf Augenhöhe, es ist das gemeinsame Anliegen, es ist das Uneingepferchte, es ist das Gespür dafür, wenn „es“ sich leicht anfühlt, genauso aber auch, wenn das Gegenteil eintritt. Wie auch bei den Würdekompass-Treffen habe ich hier die aufrechte und unaufgeregte Haltung derer erlebt, die bewusst oder unbewusst spürten, wenn versucht wurde, sie zu Objekten irgendwelcher Absichten, Angriffe, Erwartungen oder Projektionen zumachen.

Das Anliegen wurde auf den Tisch gelegt. Die bisherigen Kulturimpulse waren Veranstaltungen zum Beispiel im wunderschönen Gewölbekeller der Stadtbibliothek, freier Eintritt, angeregte Diskussionen, aber sie erreichten einfach nur wenig Menschen. Der Gruppe schwebte eine große Veranstaltung vor, bei der die Menschen würden aktiv werden können, in sich selbst würden hineinspüren können, sich würden vernetzen können. Und sie wünschten sich einen Mutmacher, einen inspirierenden Menschen für die einleitenden Impulse. Das grobe Konzept stand. Gerald sagte zu. Und es sagten auch zu: Georg Schürmann, Friederike Spengler und Marlene Bernau. Das Ticket sollte nicht mehr als 25 Euro kosten, ermäßigt 10 Euro, für diesen Convent wollten wir uns 8 Stunden Zeit geben.

Gefühlt war ja noch sooo viel Zeit bis Ende März 2020. Und gleichzeitig zeigten sich abwechselnd bei den Beteiligten große Augen und Schluckbeschwerden angesichts der noch zu bewältigenden inhaltlichen, methodischen, technischen und logistischen Herausforderungen. Als endlich Anfang Dezember die Landingpage für den Convent online ging-und bis zum Sommer 2019 kannte ich das Wort noch nicht einmal-, griffen immer zum richtigen Zeitpunkt Hände, Ideen, Menschen, Hirne und Aktivitäten passend ineinander. Es gab keinen, der nicht irgendeinen wichtigen Beitrag geleistet hätte. Es gab niemanden unter den Aktiven, der nicht über sich hinausgewachsen ist, im Winter 2019/2020.

Unsere Treffen wurden häufiger. Während die monatlichen Treffen der Initiative in der Weimarer Kreativ-Etage stattfanden, durften wir uns für ein konzentriertes Beisammensein und eine Zielfokussierung zusätzlich bei Christoph im Wohnzimmer treffen. So ein Gruppentreffen kann auf vielfältige Art beginnen – wir begannen häufig mit einem kleinen Lied, das Christoph auf dem Klavier begleitete. Ein paar Snacks, ein paar Getränke, ein bisschen Struktur und einander zugewandte Menschen mit Ideen und auch mit kritischen Fragen – mehr braucht es nicht.

Im Januar kam häufiger bei dem einen oder anderen schon mal Angst hoch und das Gefühl, all das Logistische und das Inhaltliche nicht schaffen zu können. Da tauchten ständig neue Fragen auf. Woher bekommen wir zusätzliche Stühle, ohne unser Budget in die roten Zahlen zu stürzen? Wer unterschreibt die Haftpflichtversicherung? Wie viele Helfer brauchen wir? Nehmen wir es auf uns, Mietgeschirr zu besorgen? Wie faltet man einen Kirchentags-Hocker? Wer übernimmt das Catering? Mit oder ohne Thüringer Bratwurst? Klaus, Conny, Kerstin, Michael und viele mehr hängten in der ganzen Stadt Weimar Plakate auf, auf Facebook wurde geworben, und wir gingen mit Radio Lotte on air.

Für das Programm erstellten wir einen Regieplan -allein schon für die Beruhigung der eigenen Nerven ein unabdingbares Tool. Für die Zusammenkunft in Form eines World Café nach dem Eingangsvortrag brauchten wir eine feste Gruppe von Menschen, die sich um die „Ernte“ kümmern würden: das Festhalten der „Früchte“, die hoffentlich aus den Köpfen und Herzen der Menschen erwachsen würden, wenn sie erst einmal mit den doch sehr abstrakten Worten „Würde“, „Geld“ und „Zusammenleben“ in Berührung kämen. Und auch der Kernpunkt, der „Open Space“, wurde organisatorisch abgesichert, denn nicht jeder kennt diese Methode. Diesen Einstieg bereitete Claudia vor. Alle Übergänge zwischen den Impulsvorträgen und den Aktivitäten wurden von Peter Frank und Johanna Pardo vorgedacht und in gegenseitiger Inspiration ausgeschmückt. Zwei Wochen vor dem großen Tag war das letzte Blatt 120er-Papier mit den Fragenkarten für das Convent Café aus dem Drucker gerutscht … und dann kam der lock down.

Video Calls, das gegenseitige Herunterfahren erregter Nervensysteme, ein Füllhorn an Ideen und Mut, ja, Mut – all das hat uns dazu befähigt, innerhalb von 2 Wochen diesen Convent in eine online-Variante zu überführen. Am Samstag fanden wir uns im Studio Salve TV in Erfurt ein. Als ob wie nie etwas anderes gemacht hätten, nahm jeder einzelne seinen Platz ein. Noch nie zuvor habe ich einen Teleprompter bedient. Und alles hat geklappt, die ganze Technik, inklusive der Verbindungen zu den Vortragenden.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei denjenigen, die den Convent durch ihre Ticketkäufe erst möglich gemacht haben und freuen uns über deren Wunsch, diese Aufzeichnung zu veröffentlichen. Peter Frank hat auch die Einzelbeiträge in seinem Kanal eingestellt. Alles kann gern geteilt werden.

Online-Convent Würde. Geld. Zusammenleben. (Aufzeichnung vom 28. März 2020)

Eine Begegnung, ganz in echt, live und in Farbe ist natürlich durch nichts zu ersetzen. Wir wollen diesen „im Sprung gestoppten Tiger“ wieder befreien und planen eine Zusammenkunft mit all den oben beschriebenen Aktivitäten in Weimar für das kommende Frühjahr 2021. Die Fragen zu Würde, Geld und Zusammenleben warten stärker denn je auf Antworten. Und die Antworten können nur aus uns selbst erwachsen.

Anik Kähler

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